Koalitionsvertrag 2025: Was bedeutet er für die Schneid- und Haushaltswarenindustrie? Eine kritische Kurzanalyse

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD hat wichtige Weichenstellungen für die Zukunft der deutschen Industrie gebracht. Einiges geht in die richtige Richtung, anderes ist unambitioniert und vieles wird sich in den nächsten Wochen in der Umsetzung zeigen. Der Industrieverband Schneid- und Haushaltwaren e.V. (IVSH) hat im Vorfeld der Wahl intensiv mit politischen Entscheidungsträgern und Multiplikatoren, darunter zahlreiche Mitglieder des Bundestages (MdB), Gespräche geführt, um die Anliegen und Forderungen unserer Branche zu kommunizieren. Unser Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 "Zukunft sichern, das Ruder rumreißen", das die zentralen Herausforderungen und notwendigen Maßnahmen für die Schneid- und Haushaltswarenindustrie darlegt, war ein wichtiger Bestandteil dieser Gespräche.
In diesem Artikel vergleichen wir die zentralen Punkte des aktuellen Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD mit den Forderungen des IVSH. Dabei beleuchten wir die Auswirkungen auf die Industrie, insbesondere die Schneid- und Haushaltswarenindustrie, und arbeiten Übereinstimmungen sowie Unterschiede heraus. An dieser Stelle haben wir uns um eine möglichst sachliche Darstellung bemüht - im Kern bleibt es aber bei unserer Einschätzung: "Die Zeit drängt – jetzt ist Handeln notwendig, um einer Deindustrialisierung entgegenzuwirken und das leise Sterben des Mittelstandes zu verhindern". Die nächsten Monate werden zeigen, wie und ob das Regierungshandeln " Zukunft sichern und das Ruder rumreißen" kann.
Wichtige Punkte des Koalitionsvertrags
Der Koalitionsvertrag umfasst mehrere zentrale Themen, die für die Industrie von Bedeutung sind, u.a.:
- Energie und Rohstoffe
- Senkung der Strompreise um mindestens 5 Cent/kWh durch Reduktion von Steuern und Umlagen.
- Einführung eines Industriestrompreises zur Entlastung energieintensiver Unternehmen.
- Verbesserung des Zugangs zu kritischen Rohstoffen durch Recycling, Nutzung heimischer Vorkommen und internationale Partnerschaften.
- Steuern und Pflichten
- Senkung der Körperschaftssteuer in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt ab 2028.
- Reduktion der Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 %.
- Abschaffung des nationalen Lieferkettengesetzes und vollzugsfreundliche Umsetzung weiterer EU-VO.
- EU: Bundesregierung unterstützt Omnibusverfahren und Bürokratieabbau, kritische Begleitung delegierter Rechtsakte, kein gold-plating mehr
- Investitionsprojekte und Genehmigungen
- Einführung eines Investitions-Boosters mit degressiver Abschreibung auf Ausrüstungsinvestitionen.
- Vereinfachung des immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahrens.
- Ablehnung pauschaler Verbote
- Ablehnung von Totalverboten für Stoffgruppen wie PFAS und Einführung eines risikobasierten Regulierungsansatzes.
- Dekarbonisierung und Kreislaufwirtschaft
- Unterstützung von CCS/CCU-Technologien und chemischem Recycling.
- Förderung des Ausbaus des Wasserstoffnetzes.
Forderungen des IVSH zur Bundestagswahl 2025
Das Positionspapier des IVSH zur Bundestagswahl 2025 enthält mehrere zentrale Forderungen, die für die Schneid- und Haushaltswarenindustrie von Bedeutung sind:
- Bürokratieabbau
- Verbindliches Bürokratieabbauziel auf Bundes- und EU-Ebene.
- Verpflichtende KMU-Checks bei neuen Regulierungsvorhaben.
- Verbesserung der digitalen Infrastruktur und Vernetzung der Behörden.
- Wettbewerbsfähigkeit stärken
- Reduzierung der Unternehmenssteuerlast.
- Senkung der Lohnnebenkosten.
- Senkung der Energiekosten durch mittelstandstaugliche Instrumente und Netzentgelte.
- Planbarkeit und Investitionssicherheit
- Langfristige Planungssicherheit durch klare Zeitpläne und verlässliche politische Entscheidungen.
- Beschleunigung und Vereinfachung von Genehmigungsverfahren.
- Fairness im internationalen Wettbewerb
- Strengere Kontrollen für importierte Waren von Online-Marktplätzen.
- Stärkere Regulierung von Plattformen zur Schaffung fairer Wettbewerbsbedingungen.
- EU-Politik
- Reduzierung von Berichtspflichten und Einführung von KMU-Checks auf EU-Ebene.
- Korrektur des Green Deals zur Stärkung des Mittelstands.
- Perspektiven für den Mittelstand
- Förderung einer Kultur der Partnerschaft und Wertschätzung gegenüber dem Mittelstand.
- Schaffung kooperativer Ansprechstrukturen in den Behörden.
Gemeinsamkeiten:
- Beide Dokumente betonen die Notwendigkeit der Senkung von Energiekosten und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit durch steuerliche Entlastungen und eine andere Art der Standortpolitik.
- Sowohl der Koalitionsvertrag als auch das IVSH-Positionspapier fordern eine Reduktion der Bürokratie und eine Verbesserung der digitalen Infrastruktur. Der Koalitionsvertrag bleibt hier leider in vielen Punkten eher vage, KMU spezifische Elemente gibt es zwar, müssen aber noch präzisiert werden.
- Beide setzen sich für langfristige Planungssicherheit und die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren ein.
Unterschiede und Kritik:
- Lohnnebenkosten: Unseres Erachtens finden sich im Koalitionsvertrag keine Maßnahmen, die geeignet sind, zu einer Reduktion der Lohnnebenkosten beizutragen. Im Gegenteil, Maßnahmen wie die Erhöhung des Mindestlohns und die Einführung der Mütterrente könnten die Lohnnebenkosten sogar weiter erhöhen. Das IVSH-Positionspapier fordert eine Senkung der Lohnnebenkosten, um die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, doch hier bleibt unklar, ob und wie dies praktisch umgesetzt werden soll.
- Steuerliche Entlastungen: Die geplanten steuerlichen Entlastungen im Koalitionsvertrag, wie die schrittweise Senkung der Körperschaftssteuer und der Investitionsbooster, sind zwar ein Schritt in die richtige Richtung, aber sie sind nur ein Anfang. Die tatsächliche Entlastung für Unternehmen wird so z.T. erst in einigen Jahren spürbar sein, und es bleibt abzuwarten, ob diese Maßnahmen ausreichen, um die Wettbewerbsfähigkeit nachhaltig zu stärken. Hier wäre ein ambitionierteres Vorgehen wünschenswert gewesen. Das IVSH-Positionspapier fordert ebenfalls eine Reduzierung der Unternehmenssteuerlast, um international wettbewerbsfähig zu bleiben, doch auch hier sind die vorgeschlagenen Maßnahmen nur ein Teil der Lösung.
- Bürokratieabbau: Beide Dokumente fordern einen Abbau der Bürokratie, doch die Umsetzung solcher Maßnahmen ist oft langwierig und komplex. Das IVSH-Positionspapier betont die Notwendigkeit verbindlicher Bürokratieabbauziele und KMU-Checks, doch es bleibt abzuwarten, ob diese Forderungen in der Praxis umgesetzt werden können. Sehr zu begrüßen ist die kritische Reflexion der europäischen Ebene und die hier formulierten Zeile im Koalitionsvertrag sich für bürokratiearme Lösungen, insbesondere für KMU einzusetzen. Wünschenswert wäre hier gewesen auch noch stärker die nationale behördliche Durchsetzung in de Blick zu nehmen.
- Energiekosten: Die Senkung der Energiekosten ist ein zentrales Anliegen beider Dokumente. Der Koalitionsvertrag verspricht eine Reduktion der Strompreise und die Einführung eines Industriestrompreises, doch die tatsächliche Umsetzung solcher Maßnahmen ist oft mit erheblichen Herausforderungen verbunden. Das IVSH-Positionspapier fordert mittelstandstaugliche Instrumente zur Senkung der Energiekosten, doch auch hier bleibt unklar, wie diese Maßnahmen praktisch umgesetzt werden sollen.
- Mehr Anerkennung für Unternehmertum: Grundsätzlich ist es positiv, dass der Koalitionsvertrag weniger Misstrauen gegenüber Unternehmertum signalisiert und mehr Eigenverantwortung sowie weniger Mikroregulierung fördern möchte.
- Internationaler Handel und Wettbewerb: Es ist erfreulich, dass neue Freihandelsabkommen auf EU-Ebene unterstützt werden sollen. Allerdings ist es bedauerlich, dass Aspekte der Fairness im internationalen Handel, wie sie in unseren Vorschlägen zum Aktionsplan E-Commerce betont wurden, nur rudimentär berücksichtigt wurden. Plattformen wie Temu, die z.T. unsichere Produkte zu Dumpingpreisen anbieten, bleiben eine Herausforderung für den fairen Wettbewerb und hier muss sich die Bundesregierung noch deutlicher in Brüssel für zeitnahe Umsetzung von Maßnahmen einsetzen.
Fazit
Der Koalitionsvertrag und das IVSH-Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 zeigen viele Überschneidungen in ihren Zielen zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Reduktion von Bürokratie. Allerdings gibt es auch deutliche Unterschiede in den spezifischen Maßnahmen und dem Fokus auf bestimmte Industriezweige und in der Konkretheit der Forderungen. Der Koalitionsvertrag zeichnet sich leider durch zu viele Formelkompromisse, Finanzierungsvorbehalte und Prüfaufträge aus. Eine enge Zusammenarbeit zwischen Politik und Industrie ist notwendig, um die Herausforderungen der Zukunft erfolgreich zu meistern. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob die versprochenen Entlastungen bei den Energiepreisen und die steuerlichen Entlastungen tatsächlich umgesetzt werden und ob sie ausreichen, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie nachhaltig zu stärken.
Wir begrüßen ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung auch auf EU-Ebene für einen signifikanten Abbau von Bürokratie einsetzen will – eine Forderung, die wir seit Jahren erheben. Der IVSH wird den Prozess weiterhin aktiv begleiten und sich dafür einsetzen, dass die Interessen unserer Mitglieder und der gesamten Schneid- und Haushaltswarenindustrie berücksichtigt werden.