Lohnnebenkosten und Mindestlohnerhöhung 2026/2027: IVSH warnt vor struktureller Überforderung des Mittelstands und fordert grundlegende Reformen

Die von der Mindestlohnkommission beschlossene stufenweise Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf 13,90 € (ab 01.01.2026) und 14,60 € (ab 01.01.2027) stellt nicht wenige kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) der Schneid- und Haushaltswarenindustrie vor existenzielle Herausforderungen. Der IVSH erkennt die soziale Funktion des Mindestlohns an, warnt jedoch vor den wirtschaftlichen und strukturellen Folgen dieser überproportionalen Anpassung.
Lohnnebenkosten, Bürokratie und fehlende Leistungsgerechtigkeit – eine gefährliche Mischung
Die geplante Erhöhung erfolgt in einem Umfeld stetig wachsender Kosten insgesamt, steigender Sozialabgaben und zunehmender Bürokratie. Gerade KMU mit geringeren finanziellen Reserven und hoher Arbeitsintensität geraten dadurch massiv unter Druck. Der IVSH fordert daher eine Deckelung der Sozialversicherungsbeiträge auf maximal 40 % der Bruttolohnsumme, um die Belastung für Arbeitgeber kalkulierbar zu halten und Arbeitsplätze in Deutschland zu sichern. Während Großkonzerne Kostenerhöhungen durch Skaleneffekte, Arbeitsplatzverlagerungen oder internationale Strukturen teilweise abfedern können, stoßen KMU rasch an ihre wirtschaftlichen Grenzen – auch weil diese zum Standort Deutschland stehen und hier Arbeitsplätze erhalten wollen.
Diese Einschätzung teilen auch unsere Mitglieder: In einer Blitzumfrage zu den Auswirkungen des Mindestlohns geben 84% der Befragten an, dass eine Gefahr für die Lohnabstände und Leistungsgerechtigkeit im Betrieb sehen. 95% der Befragten bewerten die geplante Erhöhung als zu hoch. Mehr als die Hälfte der Unternehmen gab an, stark oder sehr stark von der Erhöhung betroffen zu sein (auch weil die Erfahrung zeigt, dass der Druck auf alle Löhne steigt). Nur 25 % glauben, die Kosten ganz oder teilweise weitergeben zu können – bei gleichzeitig hoher Unsicherheit. Dies schmälert abermals die Ressourcen für wichtige Investitionen in neue Technologien, Nachhaltigkeit und Co. – ein weiterer Sargnagel für die Wettbewerbsfähigkeit einer mittelständisch geprägten Industrie.
Inklusion und soziale Teilhabe in Gefahr
Besonders betroffen sind bei uns jene Betriebe, die bislang einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag leisten: Unternehmen, die z.B. bewusst und gezielt Menschen ohne formale Ausbildung, ältere Arbeitsuchende oder Langzeiterwerbslose beschäftigen und diesen eine Chance geben. Diese Betriebe ermöglichen soziale Teilhabe und leben Inklusion – und sind nun durch die steigenden Lohnkosten besonders gefährdet. Die geplante Mindestlohnerhöhung und steigende Lohnnebenkosten treffen ausgerechnet jene Strukturen hart und nachteilig, die soziale Verantwortung im besten Sinne umsetzen.
Wettbewerbsfähigkeit und europäische Vergleichbarkeit
Unsere Branche steht im internationalen Wettbewerb. Länder wie Spanien und Portugal haben deutlich niedrigere Mindestlöhne und Lohnnebenkosten. Diese Lohnkostenlücke lässt sich weder durch Produktivität noch durch Automatisierung vollständig kompensieren. Sie führt zu einem strukturellen Wettbewerbsnachteil für deutsche Unternehmen, insbesondere in arbeitsintensiven Branchen.
Reformen dringend notwendig
Der IVSH hat diese Sorgen seiner Mitglieder bereits persönlich gegenüber der Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung deutlich gemacht. Ohne strukturelle Reformen steuern unsere Sozialsysteme ungebremst in eine Finanzierungskrise. Die Fakten liegen auf dem Tisch: steigende Krankenkassen- und Pflegekassenbeiträge schon für das kommende Jahr, weiterwachsende Rentenbeiträge. Dieses Szenario gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts und darf nicht länger ausgesessen werden.