Die Zukunft der europäischen Industrie: Was muss der Clean Industrial Deal leisten?

IVSH vertritt Interessen der Schneid- und Haushaltwarenindustrie bei Highlevel-Austausch im BMWK in Berlin

Die Zukunft der europäischen Industrie: Was muss der Clean Industrial Deal leisten?

IVSH vertritt Interessen der Schneid- und Haushaltwarenindustrie bei Highlevel-Austausch im BMWK in Berlin

Wie entfesseln wir das volle Potential des Industriestandorts Europa? Welche Prioritäten muss die neue EU-Kommission setzen? Welche Positionen sollte die Bundesregierung vertreten? Diese und andere Fragen standen im Fokus eines hochrangigen Dialogformates unter dem Titel „Die Zukunft der Europäischen Industrie: Was muss der Clean Industrial Deal leisten?“, das am 2. September im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) unter der Leitung von gleich zwei beamteten Staatssekretären, Udo Philipp (Industriepolitik) und Sven Giegold (Europapolitik), stattgefunden hat. Als Mitunterzeichner der so genannten Antwerpen-Declaration (https://antwerp-declaration.eu/) war der IVSH als einer von wenigen Industrieverbänden eingeladen, die Sichtweisen, Herausforderungen und Perspektiven unserer Branche einzubringen. Unser Geschäftsführer, Jan-Frederik Kremer, legte dar, welche Punkte aus unserer Sicht in Europa nun mit Priorität anzugehen sind:

  • Spürbare Bürokratieentlastungen und „a new spirit of law-making“ → Praxistauglichkeit, KMU-Check und insbesondere Wettbewerbsfähigkeit müssen leitend werden. Transformation geht nur mit der Industrie, nicht gegen sie.
  • Nachbesserungen bei handwerklich schlecht gemachten Verordnungen und delegierten Rechtsakten (GPSR, EUDR, CSRD, Ecodesign, CBAM, REACH,…) und Abbau von Redundanzen, Mehrfachbelastungen und nachweislich wettbewerbsschädlichen Regelungen.
  • Langfristig planbare, stabile Rahmenbedingungen für Investitionen und bezahlbare Energie
  • Verstärkter Einsatz für faire und gleiche Rahmenbedingungen im internationalen Handel („temu“)
  • Vielfalt der Branchen und Industrien als Stärke begreifen und kein verengter Fokus auf wenige „clean-tech-Industrien“.

Abbau von Belastungen und Stärkung der Industrie zeigt sich im Doing, nicht in Rhetorik.

Kremer betonte: „Ausdrücklich begrüßen wir als Industrie, die für eine hohe Wertschöpfung, Fertigungstiefe und schöne Produkte Made in Germany und Made in Europe steht, dass die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in den Mittelpunkt des Arbeitsprogramms der neuen EU-Kommission gerückt ist. Doch: Eine wirkliche Stärkung des Standortes und der Industrie zeigt sich im konkreten Doing und nicht auf dem Papier. Hier muss nun schnell und konkret geliefert werden. Dies werden wir als IVSH aktiv beobachten, begleiten und einfordern.
Aktuell erleben wir leider noch eine gegenteilige Entwicklung, denn unsere Mitglieder nehmen ein Mehr an Belastungen und schlechter werdende Standortbedingungen wahr. Hier ist nicht nur die europäische Ebene gefordert weitere Schritte zu gehen, sondern auch die Bundes- und Landespolitik.“

Positiv anzumerken ist, dass viele der o. g. Punkte auch Eingang in die abschließende Zusammenfassung fanden und der Dialogprozess fortgesetzt wird. Wir als IVSH werden diesen konstruktiv kritisch begleiten, insbesondere auch im Hinblick auf die weitere Ausgestaltung des Arbeitsprogramms der EU-Kommission und die hier dringend gebotene Berücksichtigung der Interessen unserer Industrie.

Zum Hintergrund:

Der IVSH hatte sich frühzeitig entschieden, die so genannte Antwerpen-Deklaration mitzuunterzeichnen. Erstens, da wir einen Großteil der formulierten Forderungen in Richtung EU mittragen und es für dringend geboten halten, die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zum Kernpunkt der neuen Agenda der Kommission zu machen. Hier freut es uns, dass wesentliche Punkte Eingang in das Arbeitsprogramm der Kommissionspräsidentin gefunden haben. Zweitens, damit wir als Anwalt der Interessen unserer Industrie den Positionen unserer Branche Gehör und Berücksichtigung geben können – auch im weiteren Prozess. Drittens, damit wir die Umsetzung und Detaillierung des Arbeitsprogrammes der EU-Kommission konstruktiv und kritisch im Hinblick auf für unsere Branche relevante Themen begleiten können.

Die Antwerpen-Deklaration fordert zehn konkrete Maßnahmen, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken und Arbeitsplätze in Europa zu sichern. Diese Maßnahmen umfassen:

  1. Integration des Industriedeals in die europäische Strategieagenda 2024–2029: Der Industriedeal soll als Kernpunkt in die europäische Strategie aufgenommen werden. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie muss Top-Priorität haben.
  2. Öffentliche Finanzierung für saubere Technologien: Einrichtung eines Fonds zur Unterstützung energieintensiver Industrien und Vereinfachung des Beihilferahmens.
  3. Europa als globaler Anbieter von Energie: Förderung von Projekten für erschwingliche, kohlenstoffarme Energiequellen, einschließlich erneuerbarer Energien und Kernenergie. Energie muss zu wettbewerbsfähigen Konditionen für die Industrie verfügbar sein.
  4. Infrastrukturausbau: Beschleunigter Ausbau von Energie-, Digital- und Recyclinginfrastrukturen.
  5. Rohstoffsicherheit erhöhen: Verstärkung der heimischen Rohstoffförderung und Recyclingkapazitäten.
  6. Nachfrage nach nachhaltigen Produkten fördern: Stärkere Verbraucherermächtigung und erweiterte öffentliche Beschaffung von nachhaltigen Produkten.
  7. Stärkung und Wiederbelebung des Binnenmarktes: Verbesserung der Durchsetzung bestehender Maßnahmen und Schaffung eines Binnenmarktes für Abfall und recycelte Materialien.
  8. Förderung eines innovativen Rahmens: Unterstützung von Wissenschaft, technologischer Innovation und Schutz geistigen Eigentums.
  9. Neuer Geist der Gesetzgebung: Vermeidung übermäßiger Regulierung und Förderung unternehmerischer Lösungen. Spürbare Bürokratieentlastungen.
  10. Effektive Struktur zur Zielerreichung: Einrichtung einer Führungsstruktur innerhalb der EU zur Umsetzung dieser Ziele.