IVSH zur EU-Verbraucheragenda 2025–2030: Für fairen Wettbewerb und praktikablen Verbraucherschutz

Der Industrieverband Schneidwaren und Haushaltswaren (IVSH) begrüßt die Zielsetzung der EU-Kommission, den Verbraucherschutz im Binnenmarkt zu stärken. Gleichzeitig warnt der Verband davor, neue Regulierungen als Ersatz für mangelnde Durchsetzung bestehender Regeln zu betrachten. Verbraucherrechte entfalten nur dann ihre volle Wirkung, wenn sie gegenüber allen Marktteilnehmern effektiv durchgesetzt werden – insbesondere gegenüber jenen, die sich bewusst der Regulierung entziehen, etwa durch Verschleierung ihres Standorts oder ihrer Identität.
Gegen eine digitale Zweiklassengesellschaft
Ein zentrales Anliegen des IVSH ist daher die faire Marktüberwachung. Die EU muss sicherstellen, dass alle Anbieter – unabhängig von ihrer Herkunft – denselben Regeln unterliegen und diese auch eingehalten werden. Plattformen wie Temu oder Shein zeigen, wie leicht nicht verkehrsfähige, unsichere und umweltschädliche Produkte in den europäischen Markt gelangen können. Anbieter umgehen hier systematisch Kennzeichnungspflichten, Produktsicherheitsanforderungen und Umweltstandards. Besonders kritisch ist, dass die tatsächlichen Hersteller hinter den Angeboten oft nicht greifbar sind und sich so jeder rechtlichen Verantwortung entziehen. Der IVSH fordert daher eine konsequente Durchsetzung des Digital Services Act (DSA) – notfalls bis hin zur Abschaltung solcher Plattformen, wenn sie (bzw. hier verkaufende Anbieter) wiederholt gegen EU-Recht verstoßen.
Maß und Mitte: für eine ausgewogene Interessensabwägung
Gleichzeitig setzt sich der IVSH für eine ausgewogene Interessenabwägung ein. Neue Maßnahmen im Verbraucherschutz dürfen nicht zu einem Wettbewerbsnachteil für verantwortungsvoll wirtschaftende Unternehmen im Binnenmarkt werden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Mid-Caps stehen bereits heute unter erheblichem Druck durch komplexe Berichtspflichten und regulatorische Anforderungen. Der IVSH fordert daher risikobasierte Ansätze, bei denen sich Sorgfaltspflichten auf eigene Tätigkeiten und direkte Geschäftspartner (Tier 1) beschränken. Indirekte Partner sollten nur bei konkreten Hinweisen auf Risiken einbezogen werden. Trickle-down Effekte müssen effizient und wirksam verhindert werden. Daher fordert der IVSH z.B. eine rechtlich verbindliche und durchsetzbare Abgrenzung der Pflichten in der Lieferkette („value-chain cut-off“), um trickle-down-Effekte zu vermeiden, bei denen KMU zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten ihrer Kunden gezwungen werden.
Ein weiterer zentraler Punkt ist die Integration von Prinzipien wie Verhältnismäßigkeit und Konformitätsvermutung in digitale Instrumente wie den Digital Product Passport (DPP) oder der ESPR. Diese Tools dürfen nicht zu neuen bürokratischen Hürden werden, sondern müssen die Unternehmen bei der Einhaltung von Vorschriften unterstützen – ohne sensible Geschäftsgeheimnisse zu gefährden.
Verbraucherschutz und Regulierung muss sich weiter an wissenschaftlichen Erkenntnissen und realen Risiken orientieren. Dies zeigt sich exemplarisch in der Debatte um PFAS: Pauschale Verbote – etwa von PTFE-beschichtetem Kochgeschirr – ignorieren differenzierte Risikoprofile und gefährden Innovation, Nachhaltigkeit und industrielle Wertschöpfung in Europa. Der IVSH fordert daher eine faktenbasierte, emissionsrisikoorientierte und differenzierte Regulierung und begrüßt ausdrücklich, dass sich die Bundesregierung für eine differenzierte Stoffpolitik und gegen pauschale Verbote ganzer Stoffgruppen einsetzt.
Abschließend unterstreicht der IVSH, dass ein funktionierender Verbraucherschutz an der Grenze beginnt. Der IVSH unterstützt daher ausdrücklich die im deutschen Aktionsplan E-Commerce geforderten europäischen Maßnahmen zur Stärkung des Zolls und der Marktaufsicht.
Verbraucherschutz muss im Einklang mit Innovationsfähigkeit, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit stehen. Der IVSH steht für eine konstruktive, faktenbasierte und praxisnahe Verbraucherpolitik und effiziente Regeldurchsetzung für alle Marktteilnehmer – ohne Zweiklassengesellschaft.